Der Instagram-Guru: Eine Sekte und ihre Social Media-Strategie

Marlene Halser, Katrin Rönicke

Zusammenfassung
Eine Sekte in Hessen, mit Anhängern auf der ganzen Welt: Bhakti Marga weiß, was orientierungslose Menschen suchen, und wo sie sich tummeln. Auf Youtube, bei Instagram, TikTok, Telegram kommen jede Woche tausende neue Follower hinzu, werben Superstars für die Sekte. Ein Gespräch darüber, wie solche Gruppierungen neue digitale Medien für sich nutzen.
Gespräch
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Menschen suchen nach Sinn und Zugehörigkeit, zwei menschliche Grundbedürfnisse. Aber traditionelle soziale Netzwerke wie Großfamilie, Vereine, Kirche verlieren an Bedeutung. Das Internet wird zu einem neuen Zuhause. Gleichzeitig leiden immer mehr Menschen an Einsamkeit, momentan noch verstärkt durch die Pandemie.

Genau diese Zugehörigkeit und einen Sinn versprechen: Sekten. Die Investigativjournalistin Marlene Halser hat sich 2021 eine Sekte sehr ausführlich angeschaut: Bhakti Marga, irre erfolgreich, weltweit in über 80 Ländern aktiv, das Zentrum ist mitten in Deutschland. Das Besondere: Bhakti Marga ist absolut instagrammable! Ihren Youtube-Kanal abonnieren jede Woche Tausende, ihr Guru, Swami Vishwananda, wird nicht nur in den Ashrams, sondern auch auf Instagram wie ein Gott gefeiert. Es gibt zig Telegram-Gruppen von Bhakti Marga, inkl. Guru-Stickern: der Guru als Comic-DJ an den Turntables. Auf die Seh- und Kommunikationsgewohnheiten der User:innen optimiert, wirkt Bhakti Marga so total anziehend.

Aus Marlene Halsers Recherche ist der Podcast „Just Love“ von hauseins und dem Hessischen Rundfunk entstanden. Darin geht es vorrangig um die Frage, ob der Guru sexuell gewalttätig ist und ob in der Sekte Brainwashing und Machtmissbrauch stattfinden.

Aber eine andere, spannende Frage aus dem Podcast diskutieren wir in dieser Session: Wie nutzt eine Organisation – die mit ihren nahezu totalitären Strukturen eigentlich für den Mainstream nicht interessant sein dürfte – Social Media, um zum Pop-Phänomen zu werden? Anhänger:innen wie der russische Superstar Sati Kazanova oder der portugiesische Nationalfußballer Rui Patrício zeigen Bilder von sich mit dem Guru oder von Hindu-Gottheiten, um zu zeigen: Hey, auch ich bin nur ein Mensch auf Sinnsuche, ich habe spirituelle Tiefe – und bringen die Sekte so zu ihren Fans. Und vice versa.

So ist aus einer kleinen Glaubensgemeinschaft über die Jahre ein globale agierendes Unternehmen mit Millionengewinnen geworden, das eine poppige – und ästhetisch sehr anschlussfähige – Version von „Hinduismus“ verkauft, vor allem über bildbetonte digitale Kanäle. Wie und warum genau das funktioniert – und wie man solche religiösen Angebote selbst besser einordnen kann –, das besprechen wir in dieser Session. 

Porträt von Katrin Rönicke vor einem Holz-Regenbogen
Podcasterin, Autorin und Gründerin von hauseins