#rp24-Sprecherin Anita Gohdes: Warum Internet-Shutdowns zu politischer Gewalt führen

15.05.2024 - Großflächige Internet-Sperren gibt es überall. Die Regierungen behaupten, sie würden Gewalt vorbeugen, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Was können wir dagegen tun?
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Anita Gohdes trägt eine schwarze Jacke, schulterlange Haare und eine Goldkette.
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Hertie School

Shadow-banning, Down-Ranking, Einschränkung von Account-Funktionen: Da die Tools zur Inhaltsmoderation in den sozialen Medien immer ausgefeilter werden und ihr Einsatz zunehmend von Regierungen in aller Welt gefordert wird, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Zensur nuancierter wird. Doch brutale Zensur gibt es nach wie vor: Vom Iran über Äthiopien bis hin zur russischen Invasion in der Ukraine haben wir gesehen, wie während gewalttätiger politischer Auseinandersetzungen groß angelegte Internet-Sperren verhängt wurden. 

Während einige Regierungen behaupten, dass Internet-Sperren dazu beitragen, die Gewalt einzudämmen, ist das Gegenteil der Fall: Sie werden eingesetzt, um die Opposition zu unterdrücken, Gräueltaten zu verbergen, Angst zu schüren und die Bemühungen um Rechenschaftspflicht massiv zu beeinträchtigen. In ihrer Session auf der re:publica 24 spricht Anita R. Gohdes darüber, wie Internet-Sperren die Gewalt anheizen – und was wir dagegen tun können.

Anita ist Professorin für Internationale und Cybersicherheit an der Hertie School in Berlin. Sie forscht an der Schnittstelle zwischen internationaler Sicherheit und Technologie und ist Autorin des kürzlich erschienenen Buches „Repression in the Digital Age: Surveillance, Censorship, and the Dynamics of State Violence“. Seit 2009 arbeitet sie für die in Kalifornien ansässige Non-Profit-Organisation Human Rights Data Analysis Group.

Auf der #rp24 freuen wir uns auf Anitas spannende Erkenntnisse zur Frage, wie digitale Technologie staatliche Unterdrückung unterstützt – und was wir dagegen tun können.

 

#WhoCares: Ein Interview mit Anita Gohdes.

Das Motto der re:publica 24 lautet „Who cares?“. Um wen oder was kümmerst du dich gerade?

Gerade kümmere ich mich um meine Studierenden und die Lehre. Ich unterrichte viel zu politischer Gewalt, zu Technologie und Kriegen. Das sind schwierige Themen, gerade jetzt wo es überall auf der Welt zu brennen scheint.

Worum kümmern wir uns zu wenig als Gesellschaft?

Wir hören von Diskriminierung betroffenen Menschen weiterhin einfach viel zu wenig und vor allem viel zu ungenau zu. Und wenn wir zuhören, glauben wir ihnen oft nicht. Die Folgen sind fatal – und zwar für alle. In meinem Forschungsbereich zeigt sich dieses wiederkehrende Muster stetig: Menschen, die von Rassismus betroffen sind, queere Menschen, Sexarbeiter*innen oder Menschen ohne geklärten Aufenthaltsstatus warnen uns seit Jahrzehnten vor den Möglichkeiten der digitalen Repression, dem Shadowbanning, der digitalen Überwachung, den digitalen Schmierkampagnen, dem Doxxing. Viele Probleme, die wir mit Social-Media-Plattformen, mit der digitalen Infrastruktur und mit staatlicher Überwachung haben, sind Probleme, auf die uns marginalisierte Gruppen seit vielen Jahren hinweisen. Lösungsansätze sind ohne die Einbeziehung dieser Menschen entweder unmöglich oder zum Scheitern verurteilt.

Worüber möchtest du auf der re:publica sprechen? Woran forschst du gerade?

In meiner Forschung beschäftige ich mich seit Langem mit der gleichen Frage, und sie lässt mich einfach nicht los: Wie wird digitale Technologie genutzt, um die Zivilgesellschaft zu unterdrücken? Auf der re:publica möchte ich über digitale Repression sprechen. Vor allem möchte ich der Frage nachgehen, welche Rolle sogenannte „internet shutdowns“ – das Abschalten des Internets – in den Gewaltstrategien von Staaten spielen, und welche Konsequenzen sie für die Gesellschaft haben.
 

 

Brute Force Censorship Never Went Out Of Style: Why Internet Shutdowns Fuel Political Violence, And What To Do About It

Anita Gohdes

Zusammenfassung
Brute-force censorship persists globally—from Iran and Ethiopia to the invasion of Ukraine — large-scale Internet blackouts are everywhere. Governments claim they reduce violence, when the opposite is true. This talk will investigate how shutdowns fuel violence and what we can do about it.
Vortrag
Englisch
Conference