#rp23 Keynote-Sprecherin Julia Kloiber: Über CASH, Innovation und Zukunftsvisionen.

06.04.2023 - Julia Kloiber entwirft Strategien und Konzepte für die digitale Welt. Für sie gehören Innovationsfähigkeit und Gerechtigkeit zusammen.
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Julia Kloiber in einem bunten Pullover vor schwarzem Hintergrund
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Marzena Skubatz

Julia Kloiber ist Mitbegründerin von SUPERRR Lab, einer feministischen Forschungsorganisation und Interessenvertretung. In den letzten 10 Jahren hat sie Projekte und Programme entwickelt, die Offenheit und zivilgesellschaftliche Technologien fördern sowie dabei helfen, eine feministische Zukunft zu schaffen.

Als Expertin für die Themenbereiche Technologie, Design und Medienwissenschaft hat Julia für die „Mozilla Foundation“, die „Open Knowledge Foundation“ und „The Engine Room“ gearbeitet. Sie leitete mehrere Projekte, welche die Wiederverwendung offener Daten und Transparenz fördern – wie Deutschlands ersten Civic Tech Incubator „Stadt Land Code“ – und spricht darüber auf internationalen Konferenzen wie TED, dem Personal Democracy Forum oder der World Design Conference. Als Beraterin für digitale Strategien arbeitet sie mit staatlichen Institutionen und Unternehmen zusammen.

2014 hat Julia „Code for Germany“ mitgegründet und entwickelte es zu einem Netzwerk von mehr als 1.000 Freiwilligen in 25 Städten deutschlandweit. Sie half auch beim Aufbau von „Code for All“, dem globalen Netzwerk von Code-for-Organisationen mit Partnern auf sechs Kontinenten. Darüber hinaus war Julia 2016 an der Gründung des ersten öffentlichen Fonds für Open-Source-Softwareprojekte in Deutschland beteiligt: Dem „Prototype Fund“. 

Julia Kloiber stand bereits mehrfach auf der re:publica-Bühne – sowohl als Sprecher*in als auch als Moderator*in  – zum Beispiel 2013, 2016, 2017, 2019, 2020, 2021 und 2022. Wir freuen uns, dass sie dieses Jahr wieder dabei ist und sind gespannt auf ihren Beitrag zum Thema CASH auf der #rp23!

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Lass uns über #CASH sprechen. Ein Interview mit Julia Kloiber.
 

Womit beschäftigst du dich gerade bei deiner Arbeit im SUPERRR LAB und welche Rolle spielen dabei Themen der Digitalisierung?

Mit SUPERRR Lab arbeite ich zu feministischen Themen. Eine intersektional feministische Perspektive auf Digitalisierungsthemen einzunehmen, bedeutet für mich auch, mich mit den Arbeitsbedingungen von Menschen im Tech-Bereich auseinanderzusetzen und daran zu arbeiten, diese zu verbessern.

Welchen Aspekt findest du derzeit besonders interessant?

Ein Thema, das mich gerade umtreibt, ist Social Media Content Moderation. Gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen haben wir mit SUPERRR Lab einen Content Moderators Summit veranstaltet. 50 Content Moderator*innen haben sich auf dem Summit zu ihren Arbeitsbedingungen ausgetauscht und sich vernetzt. Diese Vernetzung fand außerhalb des Summits so nicht statt, da Tech-Unternehmen eine Kultur der Geheimhaltung fördern. Aktuell verfassen die Content Moderator*innen ein Manifest mit Forderungen an Unternehmen und Politik, denn ihre prekären Arbeitsverhältnisse müssen sich ändern.

Was ist ein Trend bzw. eine neue Entwicklung in deinem Feld, die wir im Auge behalten sollten?

Mehr und mehr zivilgesellschaftliche Organisationen fangen neben ihrer Watchdog- und Aufklärungsarbeit an, positive Zukunftsvisionen und neue Erzählungen zu entwerfen. Anstatt sich darauf zu beschränken, dass Schaden abgewendet wird – der durch schlechte Policies, Politik oder Profitgier entsteht – machen sie einen großen Schritt in Richtung Gestaltung. Sie skizzieren, wie die Welt aussieht, auf die sie hinarbeiten. Wir bei SUPERRR arbeiten daran, dass dies in Zukunft öfter passiert. Dass wir gemeinsam positive Visionen entwerfen, auf die wir als digitale Zivilgesellschaft und Gesellschaft hinarbeiten. 

Gemeinsam mit der re:publica habt ihr zu einem Community Abend im SUPERRR Lab eingeladen, um über CASH und Feminismus zu reden. Wie passen die beiden Themen zusammen?

Wer Geld hat, hat Macht. Im Feminismus geht es im Kern darum, Macht aufzubrechen und neu zu verteilen. Deshalb ist es wichtig, über Geld und dessen Einfluss zu sprechen. Welche Ungerechtigkeiten führen in unserem Steuersystem dazu, dass keine Umverteilung von Wohlstand stattfindet? Wie ist es aktuell um den Gender Pay Gap bestellt? Warum sind Einkommen und Erbe Themen, über die wir selbst mit unseren engsten Freund*innen kaum sprechen? – Das alles sind im Kontext von Cash und Feminismus wichtige Fragen.

Wie wurden diese Fragen verhandelt? 

Es ging darum, Tabus zu brechen. Teilnehmer*innen konnten anonym auf Zettel ihr Einkommen und Erbe vermerken. Daraus haben wir eine Datenvisualisierung gemacht. Am Anfang gab es noch Berührungsängste, aber dann haben alle mitgemacht. Am Ende standen wir vor der Visualisierung und haben angefangen, viel offener über Einkommen zu sprechen.

Welches Thema, das dir am Herzen liegt, scheitert besonders am (Nicht-)Haben finanzieller Mittel?

Ein Thema, das mir am Herzen liegt, ist nicht der richtige Ausdruck dafür. Ein Thema, das mich aufregt, passt besser: die ungleiche Verteilung von Wohlstand in diesem Land. Die es manchen ermöglicht, sich zu entfalten, während andere all ihre Kraft und Energie investieren müssen, um einfach nur zu überleben. Diese Woche war ich auf einer Veranstaltung, auf der es um Innovation in Deutschland ging, und wie wir sie fördern können. Da wird dann viel über Innovationsagenturen, Förderprogramme und so weiter gesprochen – aber auffallend wenig über Chancengerechtigkeit, bezahlbares Wohnen und eine Umverteilung von Wohlstand. Dabei sind all das Dinge, an denen Innovation in Deutschland jeden Tag scheitert. Es wird beklagt, dass es den Menschen an Gründungsmentalität fehlt. Es heißt immer, man muss scheitern können und daraus für den nächsten Versuch lernen. Aber scheitern können heißt vor allem, sich scheitern leisten zu können. Wenn wir darüber sprechen, wie das Neue in die Welt kommt, dann müssen wir auch darüber sprechen, welche strukturellen Hürden Menschen davon abhalten, Lösungen für Probleme anzugehen und Innovationen hervorzubringen.

Was braucht es, um das zu ändern?

Ich bin der Meinung, dass es in erster Linie soziale Maßnahmen braucht, um das Innovationspotenzial der vielen zu fördern: eine Umverteilung von Vermögen, Bildungsgerechtigkeit und eine gerechtere Verteilung von Care-Arbeit.

Im Sinne unseres Mottos CASH – was sind deine aktuellen Lese-/Podcast- oder Videoempfehlungen?

Drei Bücher: „Alle Zeit“ von Teresa Bücker, „Das Ende der Ehe“ von Emilia Roig und „Geld spielt keine Rolle“ von Anna Mayr.

 

Content Moderation: Exploitation as a Service

Julia Kloiber, Daniel Motaung

Zusammenfassung
Without the work of content moderators, there are no social media platforms. Nevertheless, their indispensable work is done under exploitative conditions. In this keynote, we will discuss how resistance is rising, and workers are organizing to fight for their rights. We will share future visions for the field.
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