#rp24-Sprecherin Jenny Odell: Der Wert von Pflege

17.01.2024 - Im Interview spricht die Bestseller-Autorin über neue Perspektiven auf Care-Arbeit – und fordert mehr gesellschaftliche Anerkennung für Menschen, die sich kümmern.
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Jenny Odell trägt ein schwarzes Shirt und dunkle Haare. Im Hintergrund sind Büsche, Bäume und ein Haus zu erkennen.

Mit Jenny Odell erwartet euch auf der re:publica 24 eine Sprecherin, die sich mit einer neuen Wahrnehmung des Alltäglichen beschäftigt. Welchen Wert hat das Nichtstun in einer Welt, die Produktivität und Betriebsamkeit verherrlicht? Wie können wir unsere Vorstellungen von Zeit revidieren, um Hoffnung und Handeln für eine bessere Zukunft zu fördern?

Jenny Odell ist Autorin und Künstlerin aus Oakland, Kalifornien. 2019 veröffentlichte sie den New York Times Bestseller „How to Do Nothing: Resisting the Attention Economy“ und 2023 „Saving Time: Discovering a Life Beyond the Clock“. 

Während ihres Aufenthalts bei Recology SF entstand „The Bureau of Suspended Objects“. Jenny verbrachte für dieses Projekt drei Monate damit, die Herkunft von 200 Objekten zu fotografieren, zu katalogisieren und zu recherchieren. Außerdem war sie Artist in Residence in der Stadtverwaltung San Francisco und beim Internet Archive – hierfür sammelte sie surrealistische Objekte aus Anzeigen in BYTE-Magazinen der 1980er Jahre. Von 2013 bis 2021 unterrichtete sie Digitale Kunst an der Stanford University. Sie ist außerdem eine begeisterte Vogelbeobachterin.

Auf der #rp24 freuen wir uns auf Jennys spannenden Input und inspirierende Diskussionen zum Thema „Practices of Repair“.

 

#WhoCares: Ein Interview mit Jenny Odell.

Das Motto der re:publica 24 lautet „Who Cares?“. Um wen oder was kümmerst du dich gerade?

Ich kümmere mich derzeit um dieselbe Sache, die mich beschäftigt, seit ich „How to Do Nothing“ geschrieben habe: nämlich um das Zusammenspiel von Pflege, Heilung und Wohlbefinden. Meine Großmutter ist derzeit in einem Hospiz, und ich bin sehr bewegt von der Zuwendung, die ihr zuteil wird – diese scheint wirklich eine „Kunstform“ zu sein –, die ihre Pfleger*innen mit ihr praktizieren.

Worum kümmern wir uns zu wenig als Gesellschaft?

Ich denke, wir stellen „Produktion“ nach wie vor über Care-Arbeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Pflegekräfte, die ich gerade erwähnt habe, sehr gut bezahlt werden. Auf einer größeren Ebene sollten wir meiner Meinung nach mehr Möglichkeiten für soziale Verbindungen und gegenseitige Unterstützung in allen Lebensphasen schaffen, auch und gerade für Menschen, die nicht Teil einer klassischen Kernfamilie sind.

Gibt es eine Person, Bewegung oder Institution, die dich beeindruckt, da sie sich für etwas besonders einsetzt? Oder hat dich ein Buch, ein Artikel oder Podcast inspiriert?

Das Buch „Essential Labour“ meiner Freundin Angela Garbes hat mich sehr inspiriert. Sie fängt die Bedeutung und Kreativität ein, die Pflegearbeit potenziell haben kann. Gleichzeitig hebt sie hervor, wie wirtschaftlich und kulturell unterbewertet diese Arbeit in den USA ist – insbesondere im Kontext der philippinischen Diaspora, zu der auch meine Familie gehört. Aber auch Leser*innen außerhalb der USA empfehle ich „Essential Labour“ als eine Möglichkeit, Care-Arbeit wertzuschätzen und gleichzeitig eine neue Vorstellung davon zu bekommen, wie sie gestaltet werden könnte.