Desinformation in Zeiten demokratischer Regression

Jeanette Hofmann

Zusammenfassung
Desinformation wird heute zumeist als Problem sozialer Netzwerke und KI diskutiert. Demnach sind wir alle potentielle Opfer algorithmischer Manipulation. Dieser Vortrag plädiert für einen Perspektivwechsel, der Desinformation als politisches Handeln und Symptom von Demokratieverfall betrachtet.
Stage 8
Vortrag
Deutsch
Conference

Desinformation wird zurzeit vorwiegend als Problem sozialer Netzwerke diskutiert. Ähnlich einer ansteckenden Krankheit kann man sich demnach infizieren oder radikalisieren, wenn man Nachrichten nicht von Qualitätsmedien, sondern aus dem Netz bezieht. Dieser Vortrag ist ein energisches Plädoyer dafür, das Phänomen Disinformation von digitalen Medien zu entkoppeln und im Jahr der vielen Wahlen aus demokratischer Perspektive zu betrachten. Demnach liegt die Gefahr von Desinformation nicht darin, dass wir alle durch algorithmisches Kuratieren manipuliert werden, sondern dass die traditionellen Regeln und Akteure der Wissensproduktion immer weniger zustimmungsfähig sind. Der Populismus greift die Unterscheidung von wahr und falsch an und trifft die gelebte Demokratie damit an einer empfindlichen Stelle, nämlich den Voraussetzungen öffentlicher Meinungsbildung. Dass eine Vielzahl von Menschen das offenkundige Lügen politischer Elite aktiv unterstützt, ist kein Ausdruck fehlender digitaler Bildung, sondern ein Zeichen dafür, dass Loyalität und Gruppenidentität wichtiger werden als Faktizität. Darin liegt die Gefahr von Desinformation.

Jeanette Hofmann, WZB
Professorin für Internetpolitik / Direktorin